Rechtlicher Rahmen

Auch wenn Behandlungsvereinbarungen nur einen geringen juristischen Wert haben, tragen sie dazu bei, dass sich die betroffene Person in Behandlung begibt, da sie damit anderen negativen Konsequenzen ihres Fehlverhaltens entgehen kann.

Eine solche Behandlungsvereinbarung ist in unserem Rechtssystem nicht gesetzlich geregelt und muss daher als Innominatvertrag bezeichnet werden. Unterzeichnet wird sie einerseits durch den Arbeitnehmer und andererseits durch seinen Arbeitgeber oder den direkten Vorgesetzten bzw. den Personalverantwortlichen. Die juristische Analyse einer solchen Vereinbarung gestaltet sich schwierig, da es nicht einfach ist, die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zu bestimmen. Im Falle eines Streites der Parteien über die Auslegung oder Anwendung einer solchen Vereinbarung wäre es darüber hinaus problematisch zu bestimmen, ob das Arbeits- oder das ordentliche Gericht zuständig ist.

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Es ist natürlich nicht möglich, im Voraus zu wissen, wie ein Schweizer Gericht eine solche Vereinbarung beurteilen würde. Das Ergebnis würde zudem je nach Sitz und Zusammensetzung des Gerichts unterschiedlich ausfallen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Rechtmässigkeit der Vereinbarung in Frage gestellt würde, wenn das Gericht der Meinung ist, dass die Vereinbarung die Persönlichkeitsrechte verletzt und eine übermässige Bindung des Arbeitnehmers darstellt.

Es sei daran erinnert, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (Art. 328 Abs. 1 OR1). Zur Persönlichkeit gehören alle Aspekte seines Privatlebens. Aus diesem Grund ist es äusserst heikel, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ausserhalb von dessen Arbeitszeit zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Immerhin trifft der Arbeitnehmer die Treuepflicht, d. h. unter Umständen vermag alkoholbedingtes Fehlverhalten auch in der Freizeit die Interessen des Arbeitgebers zu tangieren, z. B. bei so genannten Tendenzbetrieben (Lehrpersonen einer konfessionellen Privatschule, Angestellte einer Suchtpräventionsstelle etc.). Der Arbeitnehmer kann natürlich einer solchen Vereinbarung zustimmen. Diese könnte jedoch rechtlich als nichtig betrachtet werden, wenn die Zustimmung des Arbeitnehmers eine übermässige Bindung darstellt. Artikel 27 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches2schützt nämlich die persönliche Freiheit vor Entscheidungen, die einen übermässigen und gegen die Sittlichkeit verstossenden Eingriff darstellen.

In einem konkreten Fall geht es folglich nicht darum zu bestimmen, unter welcher Krankheit oder Abhängigkeit ein Arbeitnehmer leidet, sondern es muss festgestellt werden, ob er in Anbetracht der oben erwähnten Kriterien in der Lage ist, seine Arbeitsleistung korrekt zu erbringen.

 

1„Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen.“
2„Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.“